COVID-19-Compliance für Arbeitgeber
25. Februar 2021 / Erschienen in Compliance Praxis 1/2021, S. 17
Viele Unternehmen haben auf die Corona-Krise mit Remote-Work-Lösungen reagiert. Gesetzliche Regelungen waren hierzu (von einzelnen Kollektivverträgen abgesehen) bislang aber kaum zu finden. Zwischenzeitig haben Regierung und Sozialpartner aber eine Einigung für das Arbeiten im Homeoffice erzielt, deren (konkrete) gesetzliche Umsetzung allerdings aktuell (Stand Ende Jänner 2021) noch abzuwarten bleibt. Neben der Umsetzung von Remote-Work-Lösungen, die seit Beginn der Pandemie vor allem zum Schutz der Belegschaft (erstmals überhaupt) eingeführt oder zumindest ausgeweitet wurden, sind Arbeitgeber in jüngster Zeit mit zwei weiteren Themenbereichen intensiv beschäftigt. Dies betrifft seit Zulassung der Impfstoffe sowie vereinfachter Testverfahren Fragen rund um die Thematik Impf- sowie Testverpflichtungen der Belegschaft. Nachfolgend haben wir hierzu einige wichtige Fragestellungen aus der Beratungspraxis aufgegriffen und liefern erste Antworten auf drängende Fragen sowie Tipps mit Blick auf die praktische Umsetzung.1
Masken, Testen und Impfen
Müssen Arbeitnehmer Masken tragen?
Grundsätzlich ja. Derzeit2 gilt dazu Folgendes:
- „Einfache“ enganliegende Gesichtsmasken sind immer dann zu tragen, wenn ein physischer Kontakt nicht ausgeschlossen werden kann oder es nicht andere Schutzmaßnahmen, etwa Trennwände oder getrennte Teams, gibt.
- Besteht unmittelbarer Kundenkontakt und in bestimmten anderen Fällen ist verschärfend eine FFP2-Maske zu tragen, es sei denn, es gibt eine „Freitestung“.
- Selbst mit Freitestung müssen Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenanstalten (Pflege- und Gesundheitsbereich) bei Kontakt mit Patienten bzw Bewohnern eine FFP2- bzw CPA-Maske tragen.
- Wenn Mitarbeiter gemeinsam in einem KFZ fahren (Fahrgemeinschaften), ist eine FFP2-Maske zu tragen, außerdem dürfen pro Sitzreihe nur 2 Personen sitzen.
- Die FFP2-Masken dürfen kein Ausatemventil haben; wo eine FFP2-Maske vorgeschrieben ist, kann alternativ eine Maske mit mindestens gleichwertigem genormtem Standard verwendet werden.
- Keine Maskenpflicht besteht für Mitarbeiter, die nur mit Mitarbeitern, die im selben Haushalt leben, zusammenarbeiten und die keinen unmittelbaren Kundenkontakt haben.
- Schwangere Mitarbeiterinnen müssen nur eine normale Gesichtsmaske tragen.
Keine Maskenpflicht besteht unter anderem,
- wenn Mitarbeiter räumlich abgegrenzt arbeiten;
- zur Einnahme von Speisen und Getränken;
- zur Gehörlosenkommunikation;
- bei medizinischen Gründen, wenn ein ärztliches Attest vorliegt;
- auf Baustellen (fraglich).
- Wo keine Maskenpflicht besteht, kann diese aber vereinbart werden.
Nach drei Stunden ist gemäß neuem Generalkollektivvertrag das Abnehmen der Maske zu ermöglichen. Das kann, muss aber nicht während einer Arbeitspause sein. So kann etwa die Arbeit so eingeteilt werden, dass zwischenzeitig kein direkter Kundenkontakt besteht (zB Telefondienst).
Wann müssen sich Mitarbeiter testen lassen?
Eine allgemeine Testpflicht besteht nicht. Diese gibt es nur für Mitarbeiter im Pflege- und Gesundheitsbereich.
Bei Mitarbeitern mit Kundenkontakt und in bestimmten anderen Fällen gilt, dass der Arbeitsplatz nur betreten werden darf, wenn ein negativer Test vorliegt. Wenn der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nicht nachkommt und den Test nicht vorweisen kann, ist bei Kundenkontakt eine FFP2-Schutzmaske zu tragen. Die aktuelle Verordnung spricht aber klar von einer Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Testen. Dieser Wortlaut und die aktuellen Erläuterungen des Gesundheitsministeriums lassen annehmen, dass primär eine Testpflicht besteht. Zu beachten ist, dass trotz negativem Test gemäß den allgemeinen arbeitsplatzbezogenen Bestimmungen der Verordnung eine einfache Gesichtsmaske zu tragen ist bzw müssen sonstige Schutzvorkehrungen bestehen. Im Freien ist grundsätzlich ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Bei Mitarbeiter-Fahrgemeinschaften ist wohl immer eine FFP2-Maske erforderlich (keine Freitestung). Der Test ist unseres Erachtens vom Arbeitgeber zu bezahlen. Das könnte sich ändern, wenn negative Tests auch privat nutzbar sind, diese also in Zukunft vielleicht den Zugang zu bestimmten Freizeiteinrichtungen ermöglichen. Dem Arbeitgeber ist nachzuweisen, dass es sich bei dem durchgeführten Test um einen Antigen-Test oder einen molekularbiologischen Test (PCR- oder LAMP-Test) handelt, der nicht älter als sieben Tage ist. Es muss ein Test durch eine „befugte Stelle“ sein (insbesondere öffentliche Teststraßen, Apotheken, medizinische Labors, Betriebsärzte). Selbsttest reichen demnach nicht aus. Einem Nachweis über ein negatives Testergebnis sind eine ärztliche Bestätigung über eine in den letzten sechs Monaten erfolgte und zu diesem Zeitpunkt aktuell abgelaufene Infektion oder ein Nachweis über neutralisierende Antikörper für einen Zeitraum von sechs Monaten gleichzuhalten.
Darf der Arbeitgeber einen Test verlangen?
Außerhalb des Pflege- und Gesundheitsbereichs und bei Mitarbeitern mit direktem Kundenkontakt ist das wohl grundsätzlich zu verneinen, da dieser derzeit lediglich dort ausdrücklich vorgeschrieben ist. Zudem war ja sogar das Tragen von Masken bis vor kurzem generell noch an die Zustimmung des Arbeitnehmers gebunden. Aufgrund der mittlerweile bestehenden detaillierten Regelung zur Masken- und Testpflicht, aber auch flankierender Maßnahmen wie Homeoffice bzw der bezahlten und vom Staat rückvergüteten Freistellung von Risikogruppen sind kaum Bereiche denkbar, wo ein Arbeitgeber, etwa aufgrund der besonderen Risikosituation, Tests anordnen kann.
Selbst eine Zustimmung des Mitarbeiters wird nicht immer reichen, um später Tests zu verlangen. Einerseits wird, wenn das Testen nicht nur einzelne Mitarbeiter betrifft, eine Betriebsvereinbarung notwendig sein, da es sich um eine Kontrollmaßnahme handelt, die die Menschenwürde berührt. Andererseits wird die Vereinbarung nur dann durchsetzbar sein, wenn der Arbeitgeber ein besonderes Interesse an der Vornahme der Tests hat. Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt müssen, um einsetzbar zu sein, entweder einen negativen Test vorweisen oder sonst eine FFP2-Maske tragen. Im Falle einer Verweigerung ist das wohl eine Dienstverfehlung. Fraglich ist, ob Tests in besonderen Fällen angeordnet werden können, vor allem wenn es am Arbeitsplatz ein Infektionsgeschehen gab und die Gefahr von weitreichenderen Ansteckungen in der Belegschaft besteht.
Darf der Arbeitgeber eine Impfung gegen COVID-19 verlangen?
Das ist aus heutiger Sicht klar zu verneinen. Eine Impfflicht besteht nicht einmal im Pflege- und Gesundheitsbereich, obwohl sie gemäß Epidemiegesetz angeordnet werden könnte. Es gibt nur Impfempfehlungen. Wenn aber nicht einmal in besonders „gefährdeten“ Bereichen Impfungen und allgemein nicht einmal Tests angeordnet werden können, spricht dies jedenfalls dagegen, handelt es sich bei einer Impfung doch überdies um einen Eingriff in die körperliche Integrität. Für eine allgemeine Impflicht am Arbeitsplatz fehlt derzeit außerdem eine gesetzliche Grundlage. Es bleibt allerdings weiterhin abzuwarten, welche arbeitsplatzspezifischen Maßnahmen der Gesetzgeber vorsehen wird. Denkbar wäre, dass der Nachweis einer Impfung in Zukunft einem negativen Testergebnis gleichgestellt sein könnte, und dann zB bei direktem Kundenkontakt keine FFP2-Maske mehr getragen werden muss („Freiimpfen“). Eine Sonderfrage ist, was im Falle von Mitarbeitern gilt, die zur Erbringung der Arbeitsleistung in einem anderen Land angestellt wurden und dieses Land für die Einreise eine Impfung vorsieht. Hier kann eine Interessenabwägung eventuell dazu führen, dass sich der Mitarbeiter impfen lassen muss.
(Sonstige) Schutzmaßnahmen
Welche (sonstigen) Schutzmaßnahmen muss der Arbeitgeber treffen?
Bereits nach § 4 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) müssen Arbeitgeber Gefahren für Sicherheit und Gesundheit ermitteln und beurteilen. Zudem sind geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen, umzusetzen und deren Wirksamkeit zu kontrollieren. Diese Maßnahmen sind erforderlichenfalls nach Abs 5 Z 3 der genannten Bestimmung an geänderte Umstände anzupassen. Der Arbeitgeber ist daher schon aufgrund dieser allgemeinen Regelung verpflichtet, die Situation laufend zu evaluieren und auf die Entwicklung der Pandemie mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Die allgemeine Regelung lässt aber einen „weiten“ Spielraum für mögliche Interpretationen offen. Der Gesetzgeber konkretisiert dies durch entsprechende Gesetze/Verordnungen, die laufend während der Pandemie angepasst werden.
Müssen für bestimmte Mitarbeiter-
(gruppen) besondere Vorkehrungen getroffen werden?
Ja, dies ergibt sich schon aus der den Arbeitgeber treffenden allgemeinen Fürsorgepflicht/dem ASchG, nach dem auch bei der Ermittlung von Gefahren auf gefährdete oder schutzbedürftige Arbeitnehmer samt deren Eigenschaften wie Alter und Körperkräfte zu achten ist.
Zudem hat der Gesetzgeber den Umgang mit Arbeitnehmern, die einer Hochrisikogruppe angehören, in einer speziellen Verordnung3 konkreter geregelt.
Dementsprechend besteht aktuell, sofern ein entsprechendes ärztliches Risikoattest vorliegt, grundsätzlich Anspruch auf Freistellung sowie Entgeltfortzahlung. Dies allerdings dann nicht, wenn Homeoffice möglich, oder aber eine Ansteckung am Arbeitsplatz und am Arbeitsweg mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist. Die größtmögliche Sicherheit darf im zweiten Fall jedenfalls nicht wesentlich vom Schutzniveau in der eigenen Wohnung abweichen; in der Regel darf (nahezu) kein Kontakt mit anderen Personen erfolgen. In diesem abgegrenzten Bereich besteht also doch ein gewisses Recht bzw eine Pflicht auf Homeoffice (wenn wohl auch „bloß“ auf die Dauer der Pandemie beschränkt 4).
Das Homeoffice-Maßnahmenpaket 2021 samt einzelner ausgewählter Fragen
Am 27. 1. 2021 wurde nach monatelangen Verhandlungen mit den Sozialpartnern ein Homeoffice-Maßnahmenpaket5 präsentiert. Fest steht nun, dass Homeoffice auch in Zukunft für beide Seiten freiwillig bleibt.
Welche Neuerungen bringt die Einigung der Sozialpartner6 mit sich?
Künftig bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung, welche von beiden Seiten aus wichtigem Grund unter Einhaltung einer Frist von einem Monat widerrufen werden kann.
Die digitalen Arbeitsmittel (inklusive Datenverbindung) sind jedenfalls vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Stellt sie der Arbeitnehmer, ist hierfür eine angemessene (Pauschal)Abgeltung zu leisten. Dies konnte bisher unter Umständen vertraglich außer Kraft gesetzt werden. Ob weiterhin eine Abgeltung durch Überzahlungen über dem KV vereinbart werden kann, ist bislang noch offen.
Für die Regelung der Organisation von Homeoffice in Betriebsvereinbarungen wird ein neuer Tatbestand im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) geschaffen.
Die aktuelle zeitlich begrenzte COVID-19-Regelung zum Vorliegen von Arbeitsunfällen (auch) im Homeoffice soll mit einigen Einschränkungen ins Dauerrecht übernommen werden.
Vorerst bis 2023 befristet soll die Bereitstellung der erforderlichen digitalen Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber kein steuerpflichtiger Sachbezug sein. Zudem sollen Zahlungen des Arbeitgebers zur Abgeltung von Mehrkosten im Homeoffice für insgesamt maximal 100 Tage à 3 EUR steuerfrei erfolgen, und Kosten für ergonomisch geeignetes Mobiliar bis zu 300 EUR pro Jahr (zusätzlich) als Werbungskosten geltend gemacht werden können.
Was bedeutet dies nun umgelegt auf einige bereits bisher bestehende Fragestellungen zu Remote Work?
In Unternehmen wird seit Beginn der Pandemie Homeoffice „gelebt“. Muss hierzu (nun) eine Vereinbarung abgeschlossen werden?
Auch bisher musste Homeoffice vereinbart werden; diese Vereinbarung konnte jedoch auch mündlich oder allenfalls sogar „konkludent“ (also durch schlichte „Entsprechung“) erfolgen. Die neue Regelung sieht nunmehr allerdings verpflichtend eine schriftliche Einzelvereinbarung vor. Sofern eine solche daher bislang nicht besteht, ist dies nunmehr nachzuholen.
Allgemeine Regelungen für die Organisation von Homeoffice können zudem auch in Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen aufgenommen werden.
Sofern ein Betriebsrat besteht, muss dieser (nun) einer Homeoffice Regelung zustimmen?
Regelungen über Homeoffice (oder auch andere Formen von Remote Work wie Mobile Working) fallen auch nach dem Maßnahmenpaket nicht unter einen zwingenden Mitbestimmungstatbestand des ArbVG. Eine Betriebsvereinbarung von Gesetzes wegen ist daher nicht notwendig. Es wird aber § 97 ArbVG um einen sogenannten fakultativen (freiwilligen) Tatbestand erweitert (und hiermit Klarheit über die Zuordnung geschaffen). Diese Art von Betriebsvereinbarung kann von keinem Teil erzwungen werden. Wichtig zu beachten ist aber, dass fakultative Betriebsvereinbarungen im Fall einer Beendigung durch Kündigung grundsätzlich eine Nachwirkung entfalten. Möchte man dies nicht, kann dies unseres Erachtens aber durch eine entsprechende Vereinbarung ausgeschlossen werden. Anders kann dies jedoch dann zu beurteilen sein, wenn im Zusammenhang mit Remote Work etwa auch (technische) Kontrollmaßnahmen eingeführt oder „genutzt“ werden sollen. In solchen Fällen liegen häufig sogenannte Personaldatensysteme, allenfalls aber auch die Menschenwürde berührende Kontrollsysteme vor. Deren Einführung (oder Aufrechterhaltung) bedarf zwingend der Zustimmung des Betriebsrates; konkret des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen gemäß § 96 bzw § 96a ArbVG. Der Einführung/Aufrechterhaltung von Homeoffice (oder anderer Formen von Remote Work) „per se“ wird der Betriebsrat allerdings eben auch künftig nicht zustimmen müssen.
Werden die geplanten Regelungen für alle Formen von Remote Work anwendbar sein?
Im Maßnahmenpaket heißt es lediglich, dass vereinbart werden kann, „dass die Arbeitszeit zur Gänze oder zum Teil von zuhause (Homeoffice) geleistet wird“. Werden die präsentierten Regelungen in dieser Form vom Parlament beschlossen, sind diese wohl (eher) nur für „klassisches“ Homeoffice anwendbar, nicht aber für ortsungebundene Formen von Remote Work („Mobileoffice“). Dies würde jedenfalls wiederum zu Rechtsunsicherheiten führen und letztlich auch Ungleichbehandlungen schaffen.
1
Zu beachten ist, dass zu einigen Punkten noch keinerlei Rechtsprechung existiert; aktuelle Entwicklungen auch in diesem Bereich sollten daher stets im Blick behalten werden.
2
4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 2021/58, in Kraft ab 8. 2. bis vorerst 17. 2. 2021.
3
COVID-19-Risikogruppe-Verordnung sowie
§ 735 Abs 2 ASVG bzw § 258 Abs 2 B-KUVG.
4
Die Regelungen gelten derzeit bis 31. 3. 2021.
5
Vortrag an den Ministerrat vom 27. 1. 2020 zu 46/10.
6
Zum Stand Ende Jänner 2021 bleibt die Gesetzwerdung und daher konkrete Umsetzung der Einigung allerdings noch abzuwarten.
Autoren
Mag. Sandra Popp
Mag. Sandra Popp ist Rechtsanwaltsanwärterin im Team von Mag. Wolfgang Kapek / TaylorWessing.
Walter Pöschl
Walter Pöschl ist Partner im Employment-Team von Taylor Wessing in Wien. Er berät nationale und internationale Unternehmen in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts mit einem ...