EuGH zur Verhinderung von Markenrechtsverstößen auf einem Internet-Marktplatz
13. Juli 2011
Der Anlassfall (EuGH 12. 7. 2011, C-324/09, L'Oréal ua)
In dem britischen Ausgangsverfahren waren eBay und mehrere natürliche Personen beklagt, die Markenprodukte ua von L’Oréal über die Website www.ebay.co.uk feilgeboten und an Verbraucher in der Union verkauft hatten. Diese Markenartikel waren einerseits zum Verkauf in Drittstaaten bestimmt bzw handelte es sich andererseits um nicht zum Verkauf bestimmte Waren wie Testartikel und Proben. Außerdem wurden einige dieser Waren unverpackt verkauft.
eBay bestritt, dass dieses Feilbieten auf seinem Online-Marktplatz Markenrechte verletzen könne.
Der britische High Court of Justice hat in diesem Zusammenhang dem EuGH mehrere Fragen zu den Verpflichtungen des Betreibers eines Internet-Marktplatzes zur Verhinderung von Markenrechtsverstößen durch seine Nutzer vorgelegt.
Private Verkäufe nicht umfasst
Eingangs erinnert der EuGH daran, dass die durch Marken verliehenen ausschließlichen Rechte grundsätzlich nur gegenüber Wirtschaftsteilnehmern geltend gemacht werden können. Dem Inhaber einer Marke sei es nämlich nur dann gestattet, die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten zu verbieten, wenn diese Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolge. Verkaufe daher eine natürliche Person ein Markenprodukt über einen Online-Marktplatz, ohne dass diese Transaktion im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit dieser Person stattfinde, könne sich der Inhaber der Marke nicht auf sein ausschließliches Recht im Sinne der RL 89/104/EWG (MarkenRL) und der VO (EG) 40/94 (GemeinschaftsmarkenVO) berufen. Weisen hingegen die auf einem solchen Marktplatz getätigten Verkäufe aufgrund ihres Umfangs, ihrer Häufigkeit oder anderer Merkmale über die Sphäre einer privaten Tätigkeit hinaus, bewege sich der Verkäufer im Rahmen des „geschäftlichen Verkehrs“.
Derartige Feststellungen waren hier vom vorlegenden Gericht in Bezug auf die beklagten Verkäufer bereits getroffen worden.
Verpflichtung zu vorbeugenden Maßnahmen
Besonders hervorzuheben sind aus der vorliegenden Entscheidung die Hinweise des EuGH zu den Maßnahmen, die dem Betreiber eines Internet-Marktplatzes vom nationalen Gericht zur Vorbeugung weiterer Markenrechtsverletzungen aufgetragen werden können.
Allgemein hält der EuGH fest, dass diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen, andererseits aber auch keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten dürfen.
Konkret erwähnt der EuGH in seinen Entscheidungsgründen demonstrativ folgende Punkte:
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Vom Anbieter des betreffenden Onlinedienstes darf nicht verlangt werden, aktiv alle Angaben eines jeden Kunden zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Eine solche allgemeine Überwachungspflicht wäre übermäßig kostspielig und unverhältnismäßig.
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Da die angeordneten Maßnahmen keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten dürfen, darf die Anordnung an den Betreiber eines Online-Marktplatzes kein allgemeines und dauerhaftes Verbot des Verkaufs von Waren dieser Marken auf diesem Marktplatz zum Gegenstand haben bzw bewirken.
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Der Betreiber des Online-Marktplatzes darf aber durch eine gerichtliche Anordnung dazu gezwungen werden – wenn er sich nicht aus eigenem Antrieb dazu entschließt –, den Urheber der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums auszuschließen, um zu vermeiden, dass erneute derartige Verletzungen derselben Marken durch denselben Händler auftreten.
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Dem Betreiber eines Online-Marktplatzes kann auch aufgetragen werden, Maßnahmen zu ergreifen, die die Identifizierung seiner als Verkäufer auftretenden Kunden erleichtern. Zwar muss dabei der Schutz der personenbezogenen Daten beachtet werden, doch muss der Urheber der Verletzung klar identifizierbar sein.
Alle Maßnahmen, nicht nur die vom EuGH hier beispielsweise dargestellten, müssen aber jedenfalls – so der EuGH – ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen jeweiligen Rechten und Interessen sicherstellen.
Weitere Kernaussagen der Entscheidung
Von den zahlreichen behandelten Rechtsfragen sind weiters hervorzustreichen:
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Ob sich ein Verkaufsangebot über einen Online-Marktplatz an die Verbraucher in dem durch die Marke erfassten Gebiet wendet, ist vom nationalen Gericht im Einzelfall anhand der relevanten Indizien zu prüfen. Zwar lässt sich aus der bloßen Zugänglichkeit einer Website in dem durch die Marke erfassten Gebiet noch nicht darauf schließen, dass sich die Verkaufsangebote auf dieser Website an Verbraucher in diesem Gebiet richten; ein wichtiges Indiz werden aber Angaben der geografischen Gebiete darstellen, in die der Verkäufer gemäß seinem Verkaufsangebot die Ware zu liefern bereit ist.
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Wenn der Betreiber eines Online-Marktplatzes nur die Verkaufsangebote auf seinem Server speichert, die Modalitäten für seinen Dienst festlegt, für diesen eine Vergütung erhält und seinen Kunden Auskünfte allgemeiner Art erteilt, führt dies noch nicht zu seiner Verantwortlichkeit gemäß der RL 2000/31/EG (RL über den elektronischen Geschäftsverkehr). Hat dieser Betreiber jedoch weitere Hilfestellung geleistet, wie etwa bei der Optimierung der Präsentation der betreffenden Verkaufsangebote oder bei der Bewerbung dieser Angebote, ist davon auszugehen, dass er keine neutrale Stellung mehr zwischen dem Verkäufer und den potenziellen Käufern eingenommen, sondern eine aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der diese Angebote betreffenden Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Hinsichtlich dieser Daten kann er sich daher nicht mehr auf die Ausnahme von der Verantwortlichkeit berufen.
Selbst wenn der Betreiber des Online-Marktplatzes keine aktive Rolle gespielt hat, kann er sich aber nicht auf eine Ausnahme von der Verantwortlichkeit berufen, wenn er sich – etwa aufgrund einer aus eigenem Antrieb vorgenommenen Prüfung oder aufgrund einer bei ihm eingelangten Anzeige – etwaiger Tatsachen oder Umstände bewusst war, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer die Rechtswidrigkeit der fraglichen Verkaufsangebote hätte feststellen müssen, und er nicht unverzüglich tätig geworden ist, um die betreffenden Daten zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.
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Platziert der Betreiber eines Online-Marktplatzes Werbung auf einer Suchmaschine (etwa durch Keyword-Advertising), muss diese Werbung auf jeden Fall über die Identität dieses Betreibers sowie darüber informieren, dass die mit der Anzeige beworbenen Markenprodukte mittels des von ihm betriebenen Marktplatzes zum Verkauf angeboten werden.
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Dem Verkauf unverpackter Waren kann der Markeninhaber auch dann entgegentreten, wenn durch die Entfernung der Verpackung zwar nicht die zur Identifizierung des Herstellers erforderlichen Angaben verloren gegangen sind, das Entfernen der Verpackung aber das Image dieser Ware und somit den Ruf der Marke geschädigt hat. Die Frage einer Imageschädigung durch die Entfernung der Verpackung ist in Anbetracht der Vielfalt der Produktpaletten von Parfums und kosmetischen Mitteln in jedem Einzelfall zu prüfen; dabei kann das Aussehen eines Parfums oder kosmetischen Mittels auch ohne Verpackung durchaus den Prestige- und Luxuscharakter dieses Erzeugnisses wirksam vermitteln, während in anderen Fällen das Entfernen der Verpackung gerade zu einer Schädigung dieses Images führt, etwa wenn die Verpackung in gleicher oder stärkerer Weise als der Flakon oder das Behältnis zur Darstellung des vom Markeninhaber und seinen Vertragshändlern geschaffenen Images der Ware beiträgt.
(LexisNexis-Redaktion)
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