Compliance Praxis: SpitzenpolitikerInnen haben durch ihre öffentlich exponierte Rolle eine Vorbildfunktion in demokratischen Gesellschaften. Gelten für PolitikerInnen höhere ethische Maßstäbe als für Privatleute? Falls ja, in welche Richtung gehen diese?Maga. Barbara Prammer: Selbstverständlich gelten für PolitikerInnen höhere ethische Maßstäbe. PolitikerInnen haben sich bewusst dafür entschieden, ein öffentliches Amt zu übernehmen und haben daher die Pflicht, als Vorbilder höheren Maßstäben gerecht zu werden. Mir ist bewusst, dass es in letzter Zeit zunehmend Kritik an PolitikerInnen gibt und ich sehe es daher auch als meine persönliche Aufgabe, mit besonderem Einsatz dafür zu kämpfen, dass die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Politik wieder wachsen. Wie erleben Sie das Spannungsverhältnis zwischen immer stärkeren Forderungen von NGOs und Medien nach mehr Transparenz und dem Vorbereiten und Führen von Verhandlungen im politischen Diskurs?Wesentlich ist, dass sich die Menschen an der demokratischen Willensbildung beteiligen. Und dafür ist Transparenz eine Voraussetzung. Natürlich sind gelegentlich auch vertrauliche Verhandlungen notwendig. Wichtig ist aber, die Grundlagen der politischen Entscheidungen so transparent wie möglich zu erklären. Diese Selbstverständlichkeit sollte auch jungen Menschen vermittelt werden. Ich habe mich daher dafür eingesetzt, dass etwa Schulklassen im Rahmen der im Parlament eingerichteten „Demokratiewerkstatt“ parlamentarische Tätigkeiten nähergebracht werden und sie selbst erleben können, wie politisches Arbeiten funktioniert. Damit lernen zukünftige EntscheidungsträgerInnen frühestmöglich, politische Prozesse zu verstehen. Als Präsidentin des Nationalrates haben Sie auch zahlreiche internationale Kontakte mit SpitzenvertreterInnen der Parlamente anderer Staaten. Wie beurteilen Sie die generelle Entwicklung der Bedeutung von Korruptionsbekämpfung und Compliance im öffentlichen Bereich?Die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung steigt, wie auch die internationale Verflechtung im Wirtschaftsleben generell ansteigt. Der internationale Austausch auf politischer Ebene dient sowohl der Unterstützung bei der Korruptionsbekämpfung und der Weiterentwicklung von Compliance selbst als auch für den Erfahrungsaustausch. Das hilft uns, die effizientesten und praktikabelsten Lösungen für Österreich zu erarbeiten.Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Österreich – wie viele andere europäische Staaten auch – an einem multinationalen Evaluierungsprozess beteiligt ist. Österreich durchlief bereits drei Evaluierungsrunden der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption, kurz genannt GRECO. Diese Ergebnisse fließen in die laufende legislative Arbeit ein. Und in der Wirtschaft?Die Korruptionsbekämpfung in der Wirtschaft ist für die Öffentlichkeit auch deswegen wichtig, weil von den negativen Folgen die Allgemeinheit und insbesondere die arbeitnehmende Bevölkerung direkt betroffen sind. Deshalb sind Compliance-Programme als präventive Maßnahme bedeutsam, die auch zeigen, dass Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Auch SpitzenmanagerInnen treten in öffentlichen Rollen auf, nicht selten als KritikerInnen der Politik. Welche Forderungen in Bezug auf Ethik und gesellschaftliche Verantwortung stellen Sie an Privatunternehmen?SpitzenmanagerInnen müssen erhöhten ethischen Anforderungen gerecht werden; einerseits weil auch sie im öffentlichen Blickpunkt stehen. Das gibt Ihnen eine besondere Verantwortung, als Vorbilder aufzutreten. Andererseits berühren ihre Handlungen regelmäßig das Leben vieler Menschen, für die sie direkte Verantwortung tragen. Korruption verursacht in Österreichs Wirtschaft jährlich Milliardenschäden. Eine Reihe von Maßnahmen wie die Kronzeugenregelung, Gesetzesvorhaben wie das Lobbying-Gesetz oder Überlegungen zu einer Whistleblower-Regelung sollen gegensteuern. Welche der geplanten Regelungen halten Sie für besonders zielführend? Warum?Wir haben uns eine Reihe international gängiger Maßnahmen angesehen und versucht, die erfolgreichsten für Österreich umzulegen. Wichtig ist dabei, ein ausgewogenes System zu finden, das sowohl dem hohen Stellenwert der Korruptionsbekämpfung Rechnung trägt als auch die Interessen der Betroffenen, etwa der MitarbeiterInnen – Stichwort Datenschutz – berücksichtigt. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung von Korruption unterliegen im Besonderen steter Beobachtung und Evaluation. Die Beschlussfassung eines Gesetzesvorhabens ist daher lediglich eine Momentaufnahme in einem sich ständig weiterentwickelnden System. Was ist gegebenenfalls zusätzlich zur Beschlussfassung solcher Regelungen nötig, um Österreichs Verwaltung und Wirtschaft in internationalen Anti-Korruptionsrankings (wie zB TI) wieder nach vorne zu bringen?Die Rahmenbedingungen für Korruptionsbekämpfung werden im Parlament geschaffen. Politik und Wirtschaft müssen aber gemeinsam dafür sorgen, dass die gesetzlichen Bestimmungen auch in der Praxis umgesetzt und gelebt werden. Wenn das gelingt, bin ich zuversichtlich, dass wir international auch auf diesem Gebiet zur Weltspitze gehören werden. Durch Compliance-Systeme und -programme versuchen Unternehmen, Rechtskonformität präventiv sicherzustellen und unethisches Verhalten ihrer MitarbeiterInnen zu verhindern. Wie bewerten Sie diesen Trend?Ich begrüße diese Entwicklung. Wichtig sind klare und verständliche Regelungen für MitarbeiterInnen, damit diese auch wissen, welches Verhalten von ihnen erwartet wird. Dies bietet den ArbeitnehmerInnen auch die Sicherheit, die gesetzlichen Vorgaben einhalten zu können. Was kann die Politik und insbesondere die Gesetzgebung tun, um solche Bestrebungen zu unterstützen?Ganz entscheidend ist der Dialog zwischen Politik und Bevölkerung, damit ein gegenseitiger Meinungsaustausch stattfindet. So können wir die praktikabelsten Regelungen finden, die bestehenden Gesetze weiterentwickeln und diese in die Praxis umzusetzen. Damit können wir gemeinsam Österreich gestalten, wie das einer modernen und aufgeklärten Demokratie entspricht.
Von Mag. Klaus Putzer 29. Februar 2012 / Erschienen in Compliance Praxis 1/2012, S. 4
Im Interview Prammer_(c)_Ingo Pertramer_web.jpg Mag.a Barbara Prammer stammt aus Ottnang am Hausruck/Oberösterreich, einer Bergarbeitergemeinde mit langer sozialdemokratischer Tradition. Die studierte Soziologin war seit 1991 zunächst in der oberösterreichischen Landespolitik tätig. 1997 wurde sie in die Bundesregierung berufen und führte drei Jahre lang als Bundesministerin das Ressort Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz. Seit der Nationalratswahl im Oktober 1999 ist Barbara Prammer ...
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