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Interviews mit Mitarbeitern stellen einen essenziellen Bestandteil von ­unternehmensinternen Untersuchungen dar. Die Mitwirkungsbereitschaft der betroffenen ­Belegschaft ist daher von grundlegender Bedeutung. In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit ­Mitarbeiter zur Kooperation verpflichtet sind.
Von Dr. Erika Stark-Rittenauer LL.M., CSE
25. Februar 2025 / Erschienen in Compliance Praxis 1/2025, S. 26

Arbeitgeber sind insbesondere aus gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten verpflichtet, Compliance-Verstöße durch geeignete Untersuchungshandlungen aufzudecken (vgl § 82 Abs 1 AktG, § 84 Abs 1 AktG bzw § 22 Abs 1 GmbH sowie § 25 Abs 1 GmbHG). Zur Aufklärung von Verdachtsfällen sind Interviews mit involvierten, betroffenen oder informierten Mitarbeitern eines der wirksamsten Instrumente. Die Mitarbeiter sind dabei grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet. Eine gesetzliche Auskunfts- oder Berichtspflicht des Mitarbeiters besteht jedoch nicht. Diese ergibt sich vielmehr aus der allgemeinen Treuepflicht und dem Umstand, dass die Aufklärung beruflich bedingter Sachverhalte im Zusammenhang mit der Tätigkeit eng mit den dienstlichen Pflichten verknüpft ist.

Teil I dieses Beitrags beschäftigt sich mit dem Thema, ab welchem Zeitpunkt der Mitarbeiter eine Aussage aufgrund potenzieller Selbstbezichtigung verweigern darf. Teil II behandelt die arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Aspekte von Mitarbeiterbefragungen bei internen Untersuchungen.

Zur Kooperationsverweigerung wegen Gefahr der Selbstbezichtigung

Mitarbeiter, die aufgrund der eigenen Aussage Nachteile befürchten, tendieren dazu, ihre Antworten bei Befragungen im Rahmen von Internal Investigations zu verweigern. Eine rechtmäßige Aussageverweigerung kann immer stattfinden, soweit mit der Aussage die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung verbunden wäre. Dies ergibt sich aus den Persönlichkeitsinteressen des Mitarbeiters sowie den Grundrechten, insbesondere dem Gebot, dass der Beschuldigte nicht gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (sogenanntes „Nemo-tenetur“-Prinzip, Artikel 6 EMRK). Der Mitarbeiter ist daher nicht zur Selbstbelastung verpflichtet. Zwar greift das Strafrecht und die damit einhergehenden Aussageverweigerungsrechte der Strafprozessordnung mangels hoheitlichen Handelns bei unternehmensinternen Untersuchungen nicht (unmittelbar), wohl aber die Wertungen aus den Aussageverweigerungsrechten im Straf- und Zivilprozess sowie generell arbeitsrechtliche Überlegungen. Dies vor allem dann, wenn die Ergebnisse eines Interviews in einem nachfolgenden (zivil-, straf- oder verwaltungsstrafrechtlichen) Verfahren als Beweismittel verwendet werden (sollen) und damit als Grundlage einer Verurteilung dienen können. Das Selbstbelastungsverbot greift daher, wenn Internal Investigations von vornherein darauf ausgerichtet sind, systematisch für die Strafverfolgungsbehörden einen Sachverhalt aufzuklären und ihnen Informationen über mögliche Täter zur Verfügung zu stellen, sodass Teile des staatlichen Ermittlungsverfahrens dadurch ersetzt werden. Daher wird der Mitarbeiter nicht gezwungen sein, Aussagen gegenüber seinem Arbeitgeber zu machen, die für ihn oder einen seiner Angehörigen eine strafgerichtliche Verfolgung, einen unmittelbaren Vermögensnachteil oder Verlust des gesellschaftlichen Ansehens zur Folge haben und zu denen er auch vor Gericht nicht gezwungen werden könnte.

In der Praxis stellt sich allerdings oft die Frage, wann eine Gefahr der Selbstbelastung tatsächlich vorliegt. Dies ist unter Berücksichtigung der Erklärung, die Aussage verweigern zu wollen, durch Vergleich des Beweisthemas mit dem möglicherweise gegen den Mitarbeiter zu erhebenden strafrechtlichen Vorwurf zu prüfen und zu entscheiden.

Sofern es nicht um die eigene Aussage, sondern um die Zurverfügungstellung von Unternehmensdaten und Unternehmensunterlagen geht und diese an die Compliance-Abteilung oder eine beauftragte Rechtsanwaltskanzlei herauszugeben sind, können jedenfalls keine Einwände der Selbstbezichtigung greifen, weil ein Mitarbeiter kein Eigentumsrecht an Unternehmensunterlagen oder an Unternehmensdaten hat. Es handelt sich dabei zudem um objektive Beweisstücke außerhalb der persönlichen Sphäre des Mitarbeiters, die auch im Falle eines Ermittlungsverfahrens oder einer Hausdurchsuchung ohne weiteres von den zuständigen Beamten sichergestellt werden dürfen.

Informationspflicht durch den Arbeitgeber bei ­Gefahr der Selbstbezichtigung?

Sofern nun in einer Befragung die Gefahr einer Selbstbezichtigung besteht, könnte sich für den Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Aufklärung, abgeleitet aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht, ergeben. Eine Interessenabwägung würde zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, weil die Aufklärung von Straftaten, die sich gegen das Vermögen und/oder andere Rechtsgüter des Arbeitgebers richten, höher zu werten ist als die Rücksichtnahme auf das Interesse des Mitarbeiters, sich nicht selbst zu belasten. Auch ist die in § 164 Abs 1StPO normierte Belehrungspflicht bei Gefahr der Selbstbezichtigung mangels hoheitlichen Handelns nicht anwendbar. Der Arbeitgeber ist somit nicht zur Belehrung verpflichtet. Sie ist aber dann anzuraten, wenn die rechtliche Verwertbarkeit der Aussage in einem Strafverfahren sichergestellt werden soll.

Allerdings kann der Mitarbeiter, selbst wenn er sich rechtmäßig auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft, nicht generell die Mitwirkung verweigern, sondern lediglich spezifische Fragen nicht beantworten (die strafrechtlich relevant wären). Auch kann das Bedürfnis, keine Kollegen belasten zu wollen, zu keiner berechtigten Aussageverweigerung führen, weil der Mitarbeiter keine rechtlichen Konsequenzen von Kollegen zu befürchten hat.

Verwertungsverbot in einem nachfolgenden ­Strafverfahren?

Gesteht ein Mitarbeiter ein strafbares Verhalten, ohne über das Aussageverweigerungsrecht informiert worden zu sein, dürfen die getätigten Aussagen – Verteidigerrüge vorausgesetzt – vor Gericht nicht verwertet werden, weil sich aus der internen Untersuchung kein Zwang zur Selbstbelastung ergeben darf. Insbesondere können Erhebungen des Unternehmens als „Erkundigungen“ iSd § 152 StPO gewertet werden, die der Aufklärung einer Straftat sowie der Vorbereitung der behördlichen Beweisaufnahme dienen. Werden aber bei solchen Erkundigungen die Bestimmungen zur Beschuldigtenvernehmung umgangen, sind sie mit Nichtigkeit bedroht. Dies bedeutet, dass sie in der Hauptverhandlung weder verlesen noch vorgehalten werden dürfen.

Ungeachtet dessen würden die Gesprächsprotokolle der Internal Investigation auch ohne Belehrung zu den Akten genommen und von den Strafverfolgungsbehörden faktisch zur Kenntnis genommen. Sie dürfen auch vorgehalten bzw verlesen werden, wenn der Verteidiger des Beschuldigten dies nicht ausdrücklich rügt. Eine unterlassene Aufklärung führt daher „lediglich“ zu einer rechtlichen, jedoch zu keiner faktischen Unverwertbarkeit, weil sie für die Ermittlungsbehörden zum Akt und als Anknüpfungspunkt für eigene Ermittlungen genommen werden. Der Mitarbeiter hat bei einer späteren Vernehmung im Strafverfahren – weil ihm in diesem Fall Beschuldigtenstatus zukommt – gegenüber den Ermittlungsbehörden natürlich das Recht, die Aussage zu verweigern.

Praxistipps

Es empfiehlt sich, den Mitarbeiter vor Beginn des Interviews auf den konkreten Gegenstand der Untersuchung und die strenge Vertraulichkeit dessen hinzuweisen. Es geht auch insbesondere darum, vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, um die Kooperationsbereitschaft des Mitarbeiters zu erlangen. Andernfalls könnte der Mitarbeiter immer behaupten, er könne sich an nichts erinnern, sodass die Frage eines berechtigten oder unberechtigten Aussageverweigerungsrechts eine rein theoretische bleibt. Ein besonders „hart“ geführtes Interview wird daher (ohne stichhaltige Beweise) in der Praxis nicht zum gewünschten Erfolg, nämlich der Aufklärung des Sachverhalts, führen.

Bei einer pauschalen Aussageverweigerung des Mitarbeiters aufgrund der Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung empfiehlt sich die Dokumentation der Aussageverweigerung (samt Unterschrift des betroffenen Mitarbeiters) sowie der Hinweis, dass die strikte Verweigerung der Befragung einen disziplinarrechtlichen Verstoß begründen kann, auch wenn die Gründe für die Verweigerung berücksichtigt werden müssen.

Grundsätzlich sollte bei einer Befragung immer ein Gesprächsprotokoll angefertigt werden, welches vom Mitarbeiter unmittelbar unterzeichnet wird. Die faktische Verwertbarkeit eines unterschriebenen Gesprächsprotokolls vor Gericht ist weit höher einzuschätzen als die von Protokollen, bei denen die Auskunftsperson die Unterschrift verweigert.

Beispiel

Ein Mitarbeiter leistet für einen Kollegen eine benötigte Unterschrift. Der Vorgesetzte wundert sich, weil die gesetzte Unterschrift gar nicht mit den bisherigen Unterschriften des betroffenen Mitarbeiters übereinstimmt. Noch dazu war der Kollege zum Zeitpunkt der geleisteten Unterschrift auf Urlaub. Compliance wird informiert. Es besteht das Risiko, dass eine strafbare Urkundenfälschung begangen wurde. Compliance geht der Angelegenheit in Form einer internen Befragung nach. Solange Fragen zum beruflichen Alltag des betroffenen Mitarbeiters, dem konkreten Tätigkeitsbereich, seinem Verhältnis zum Kollegen und des betroffenen Dokuments gestellt werden, besteht kein Aussageverweigerungsrecht. Es besteht ein umfassendes Auskunftsrecht des Arbeitgebers bei dienstlichen Informationen. Erst wenn es im Interview konkret um die Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung geht, kann der betroffene Mitarbeiter die Aussage wegen Gefahr der Selbstbezichtigung verweigern. 

Quellenverzeichnis:

Gahleitner/Kappel in Ruhmanseder (Hrsg),
Interne ­Untersuchungen (2024), Rz 7.14 ff.

Körber-Risak/Lurf, Individualarbeitsrechtliche Aspekte unternehmensinterner Untersuchungen, ZAS 2017/35, 188 f.

Lindtner, Zum Aussageverweigerungsrecht im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen, ecolex 2018, 31. 

Fazit

Mitarbeiter sind aufgrund der allgemeinen Treuepflicht dazu verpflichtet, im Rahmen von Internal Investigations Informationen bereitzustellen. Dies umfasst jedenfalls dienstliche Informationen. Sie dürfen auch nicht von vornherein jegliche Aussage verweigern. Der Mitarbeiter kann allerdings nicht gezwungen werden, sich durch seine Aussage strafrechtlich selbst zu belasten. Um die rechtliche Verwertbarkeit von Aussagen in einem allenfalls nachfolgenden Strafverfahren abzusichern, ist der Arbeitgeber gut beraten, den Mitarbeiter vorab auf sein Aussageverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung aufmerksam zu machen. Eine diesbezügliche Informationspflicht seitens des Arbeitgebers besteht jedoch nicht. Selbst eine unterlassene Aufklärung durch den Arbeitgeber hindert die Strafverfolgungsbehörden nicht an einer faktischen Verwertung. 

Autoren

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Dies vor allem dann, wenn die Ergebnisse eines Interviews in einem nachfolgenden (zivil-, straf- oder verwaltungsstrafrechtlichen) Verfahren als Beweismittel verwendet werden (sollen) und damit als Grundlage einer Verurteilung dienen können. Das Selbstbelastungsverbot greift daher, wenn Internal Investigations von vornherein darauf ausgerichtet sind, systematisch für die Strafverfolgungsbehörden einen Sachverhalt aufzuklären und ihnen Informationen über mögliche Täter zur Verfügung zu stellen, sodass Teile des staatlichen Ermittlungsverfahrens dadurch ersetzt werden. 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Es handelt sich dabei zudem um objektive Beweisstücke außerhalb der persönlichen Sphäre des Mitarbeiters, die auch im Falle eines Ermittlungsverfahrens oder einer Hausdurchsuchung ohne weiteres von den zuständigen Beamten sichergestellt werden dürfen.</p><h2>Informationspflicht durch den Arbeitgeber bei ­Gefahr der Selbstbezichtigung?</h2><p class=\"\">Sofern nun in einer Befragung die Gefahr einer Selbstbezichtigung besteht, könnte sich für den Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Aufklärung, abgeleitet aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht, ergeben. Eine Interessenabwägung würde zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, weil die Aufklärung von Straftaten, die sich gegen das Vermögen und/oder andere Rechtsgüter des Arbeitgebers richten, höher zu werten ist als die Rücksichtnahme auf das Interesse des Mitarbeiters, sich nicht selbst zu belasten. Auch ist die in § 164 Abs 1StPO normierte Belehrungspflicht bei Gefahr der Selbstbezichtigung mangels hoheitlichen Handelns nicht anwendbar. Der Arbeitgeber ist somit nicht zur Belehrung verpflichtet. Sie ist aber dann anzuraten, wenn die rechtliche Verwertbarkeit der Aussage in einem Strafverfahren sichergestellt werden soll.</p><p class=\"\">Allerdings kann der Mitarbeiter, selbst wenn er sich rechtmäßig auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft, nicht generell die Mitwirkung verweigern, sondern lediglich spezifische Fragen nicht beantworten (die strafrechtlich relevant wären). 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Dies bedeutet, dass sie in der Hauptverhandlung weder verlesen noch vorgehalten werden dürfen.</p><p class=\"\">Ungeachtet dessen würden die Gesprächsprotokolle der Internal Investigation auch ohne Belehrung zu den Akten genommen und von den Strafverfolgungsbehörden faktisch zur Kenntnis genommen. Sie dürfen auch vorgehalten bzw verlesen werden, wenn der Verteidiger des Beschuldigten dies nicht ausdrücklich rügt. Eine unterlassene Aufklärung führt daher „lediglich“ zu einer rechtlichen, jedoch zu keiner faktischen Unverwertbarkeit, weil sie für die Ermittlungsbehörden zum Akt und als Anknüpfungspunkt für eigene Ermittlungen genommen werden. Der Mitarbeiter hat bei einer späteren Vernehmung im Strafverfahren – weil ihm in diesem Fall Beschuldigtenstatus zukommt – gegenüber den Ermittlungsbehörden natürlich das Recht, die Aussage zu verweigern.</p><h2>Praxistipps</h2><p class=\"\">Es empfiehlt sich, den Mitarbeiter vor Beginn des Interviews auf den konkreten Gegenstand der Untersuchung und die strenge Vertraulichkeit dessen hinzuweisen. Es geht auch insbesondere darum, vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, um die Kooperationsbereitschaft des Mitarbeiters zu erlangen. Andernfalls könnte der Mitarbeiter immer behaupten, er könne sich an nichts erinnern, sodass die Frage eines berechtigten oder unberechtigten Aussageverweigerungsrechts eine rein theoretische bleibt. Ein besonders „hart“ geführtes Interview wird daher (ohne stichhaltige Beweise) in der Praxis nicht zum gewünschten Erfolg, nämlich der Aufklärung des Sachverhalts, führen.</p><p class=\"\">Bei einer pauschalen Aussageverweigerung des Mitarbeiters aufgrund der Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung empfiehlt sich die Dokumentation der Aussageverweigerung (samt Unterschrift des betroffenen Mitarbeiters) sowie der Hinweis, dass die strikte Verweigerung der Befragung einen disziplinarrechtlichen Verstoß begründen kann, auch wenn die Gründe für die Verweigerung berücksichtigt werden müssen. </p><p class=\"\">Grundsätzlich sollte bei einer Befragung immer ein Gesprächsprotokoll angefertigt werden, welches vom Mitarbeiter unmittelbar unterzeichnet wird. 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