Compliance Officer – Der unbeliebteste Job der Welt?
31. August 2014 / Erschienen in Compliance Praxis 3/2014, S. 22
Daniela Fabits
Mag. Daniela Fabits studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Sie leitet seit Juli 2013 die Stabstelle Recht & Compliance der AustriaTech GmbH.
Compliance Praxis: Seit wann üben Sie Ihre Compliance-Tätigkeit aus und wie sind Sie dazu gekommen?
Daniela Fabits: Die Aufgabe als Compliance Officer habe ich im September 2013 übernommen. Mit dem Thema Compliance beschäftigte sich AustriaTech schon im Vorfeld. Auf Wunsch des Eigentümers, des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, wurde von der Geschäftsführung ein Compliance Officer ernannt. Da Compliance thematisch stark mit rechtlichen Themen verflochten ist, wurde mir als Juristin diese Aufgabe übertragen.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der täglichen Compliance-Arbeit?
Derzeit befindet sich das Compliance-Management von AustriaTech noch in den Kinderschuhen. Die größte Herausforderung sehe ich darin, Akzeptanz für die Notwendigkeit von Compliance bei den Betroffenen zu schaffen. Der Begriff Compliance ist nicht derart selbsterklärend, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Anhieb verstehen, worum es geht. Zudem besteht für mich als Compliance Officer eines KMU die Herausforderung, ein „angemessenes“ Compliance-Management zu etablieren. Der Drahtseilakt zwischen zu geringer Feigenblatt-Compliance und adäquater, an die Unternehmensgröße angepasster Compliance-Organisation ist gerade am Anfang schwierig zu schaffen. Letztlich empfinde ich es auch als herausfordernd, Compliance in einem Unternehmen des Privatwirtschaftsverwaltungsbereiches umzusetzen.
Welche Bedeutung wird Compliance Ihrer Ansicht nach in Zukunft haben?
Die Regelungsdichte für Unternehmen nimmt in Europa und folglich auch in Österreich ständig zu. Wir befinden uns mittlerweile in einem Wirrwarr von gesetzlichen Normen und internen Vorgaben. Diesen Regelungsdschungel kann nur ein engagierter und gut ausgebildeter Compliance Officer sicheren Schrittes durchqueren, um relativ furchtlos in Indiana-Jones-Manier die Haftungsrisiken für sein Unternehmen gering zu halten. Gleiches gilt auch für Unternehmen wie AustriaTech, die im Bundesbesitz stehen. Hier hat in den letzten Jahren ein modernes Management-Verständnis Einzug gehalten, wodurch ein professioneller Zugang zum Thema Compliance gefördert wurde. Compliance wird dementsprechend auch zukünftig von großer Bedeutung sein, wenn man mit Risiken professionell umgehen möchte.
Eva Graf
Mag. Eva Graf leitet seit 2012 das Referat Compliance in der Oesterreichischen Nationalbank. Davor war sie Leiterin der Wertpapiercompliance-Funktion der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG. Sie sammelte ihre Berufserfahrung unter anderem in der Finanzmarktaufsicht (FMA) sowie einem großen österreichischen Kreditinstitut.
Compliance Praxis: Seit wann üben Sie Ihre Compliance-Tätigkeit aus und wie sind Sie dazu gekommen?
Eva Graf: Diese Frage kann ich leider nicht so genau beantworten, da meine Beschäftigung mit dem Thema eher „schleichend“ begann. Als ausgebildete Juristin hatte ich 2002 zum ersten Mal intensiveren Kontakt mit den Rechtsgebieten des Wertpapieraufsichtsgesetzes und Börsegesetzes im Rahmen meiner Tätigkeit in der Finanzmarktaufsicht. In der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG habe ich diese aufsichtsrechtlichen und auch allgemeinen Compliance-Themen betreut, wie beispielsweise die Themen Geschenke und Einladungen und Interessenkonflikte. Seit 2012 leite ich das Referat Compliance der Oesterreichischen Nationalbank.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der täglichen Compliance-Arbeit?
Die größte Herausforderung ist es, bei den Kollegen und Führungskräften Verständnis für den Mehrwert von Compliance zu schaffen. Die Wichtigkeit des Themas muss immer wieder neu ins Bewusstsein gerufen werden. Ich bezeichne das überspitzt als „Compliance-Marketing“.
Welche Bedeutung wird Compliance Ihrer Ansicht nach in Zukunft haben?
Ich denke, dass Compliance bereits jetzt schon eine sehr wichtige Rolle spielt.
Petra Held
Dr. Petra Held ist seit vielen Jahren in verschiedenen Bereichen der via donau – Österreichische Wasserstraßen GmbH tätig, seit 2011 als Compliance Managerin. Sie hat bei viadonau die Compliance-Organisation implementiert und führt Mitarbeiter-Schulungen im Alleingang durch.
Compliance Praxis: Seit wann üben Sie Ihre Compliance-Tätigkeit aus und wie sind Sie dazu gekommen?
Petra Held: Im Juni 2010 wurde bei viadonau das Projekt „via.rules“ ins Leben gerufen. Das Projekt diente in erster Linie dazu, das Unternehmensziel „Weiterentwicklung der Corporate Governance“ zu erreichen. Im Februar 2011 stellte man fest, dass hierfür ein eigener Verantwortungsbereich, nämlich eine Compliance-Organisation, zu etablieren sei. Diese sollte ein Compliance Manager verantworten. Ich war zu dieser Zeit Mitarbeiterin des Teams Recht. Was liegt näher, als jemanden aus der Rechtsabteilung zu fragen, ob er nicht Compliance „mitmachen“ möchte? Und so kam es auch. Soviel ich weiß, ist diese Vorgehensweise ein weit verbreitetes Phänomen. Mittlerweile gehöre ich nicht mehr dem Team Recht an, sondern bin direkt der Geschäftsführung unterstellt und übe meine Funktion als Compliance Managerin unabhängig aus.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der täglichen Compliance-Arbeit?
Die Umsetzung von Compliance ins „echte Leben“. Aus meiner Sicht haben wir bei viadonau zum Thema Compliance schon sehr viel Gehirnschmalz und Papier produziert – und das ist auch gut so. Die wahre Herausforderung liegt für mich aber in der Überzeugungsarbeit und dem „Am-Leben-Erhalten“ der erworbenen Awareness. Wie sieht es bei den einzelnen Mitarbeitern tatsächlich im Berufsalltag aus? Nehmen sie sich öfter an der Nase? Kann man als Compliance Managerin durch Schulungen & Co im Alltag der Kolleginnen und Kollegen wirklich etwas bewirken? Wie geht man am besten bei Regelverstößen vor und welche Konsequenzen sind zu setzen?
Bei allem, was ich täglich tue, überlege ich mir, welcher der jeweils beste Weg dafür ist. Mein Ziel ist es, aus voller Überzeugung sagen zu können, bei viadonau ist Compliance ein Baustein unserer Unternehmenskultur ohne Wenn und Aber.
Welche Bedeutung wird Compliance Ihrer Ansicht nach in Zukunft haben?
Der derzeit herrschende Compliance-Hype wird wahrscheinlich wieder etwas zurückgehen. Nicht, weil Compliance an Bedeutung verliert, sondern weil es nach und nach in den normalen Alltag einfließen wird – so wie das Anschnallen im Auto oder der Helm am Motorrad. Ich glaube, die jungen Menschen wachsen derzeit mit diesem Thema auf und müssen später nicht mehr „sensibilisiert“ werden. Einige sogenannte Kavaliersdelikte, wie Alkohol am Steuer, sind bei den Jungen überwiegend bereits jetzt schon absolut tabu. Und die mittlere und ältere Generation traut sich immer weniger, „non-compliant“ zu handeln. Dazu steht das Thema Compliance zurzeit viel zu sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Ich hoffe, dass sich alle schwarzen Schafe irgendwann von den weißen überzeugen lassen.
Manfred Klika
Mag. Manfred Klika studierte in Wien Rechtswissenschaften und war nach dem Gerichtsjahr für dreieinhalb Jahre in der Kanzlei Zandl:Grundei als Konzipient tätig. Er hat im Oktober 2007 die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt und ist seit November 2007 für die RWA Raiffeisen Ware Austria AG tätig. Seit 1. Juli 2013 leitet er dort die Abteilung Compliance.
Compliance Praxis: Seit wann üben Sie Ihre Compliance-Tätigkeit aus und wie sind Sie dazu gekommen?
Manfred Klika: Ich wurde Mitte 2013 zum Compliance Officer des Konzerns der RWA Raiffeisen Ware Austria AG ernannt. Davor war ich mehrere Jahre Mitarbeiter in der Rechtsabteilung.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der täglichen Compliance-Arbeit?
Die RWA ist ein multinationaler Konzern, der sowohl in Österreich als auch in CEE an verschiedenen Standorten aktiv ist. Dadurch bin ich mit unterschiedlichen Rechtsordnungen, Wertesystemen, aber auch Sprachen konfrontiert. Das macht meine Arbeit spannend und herausfordernd. Darüber hinaus habe ich in meiner täglichen Arbeit festgestellt, dass es bei meinen Kolleginnen und Kollegen sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, was unter Compliance zu verstehen ist. Dadurch ergeben sich auch höchst unterschiedliche Erwartungshaltungen an mich als Compliance Officer.
Welche Bedeutung wird Compliance Ihrer Ansicht nach in Zukunft haben?
Ich denke, dass die Bedeutung tendenziell zunehmen wird. Ein wichtiger Grund ist, dass Regelungstiefe und Regelungsdichte im Steigen begriffen sind. Durch unterschiedliche Ebenen der Rechtssetzung ist oftmals auch das Verhältnis unterschiedlicher Rechtsgebiete zueinander unklar. Weitere Gründe sehe ich im Ansteigen von Maßnahmen aus dem Bereich der Third Party Compliance und in der Diskussion, ob neben legalem Verhalten auch ethische Grundsätze eine größere Rolle spielen sollen.
Karl Stadler
Dr. Karl Stadler ist seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen und Bereichen in der VERBUND AG tätig, seit 2009 als Konzern-Compliance-Verantwortlicher. Er ist Mitherausgeber von „Compliance-Praxis“ und Mitglied im Österreichischen Compliance Officer Verbund.
Compliance Praxis: Seit wann üben Sie Ihre Compliance-Tätigkeit aus und wie sind Sie dazu gekommen?
Karl Stadler: Im Jahr 2009 wurde ich zum Konzern-Compliance-Verantwortlichen bei VERBUND bestellt. Schon davor war ich intensiv mit den Themen Kapitalmarkt-Compliance und Corporate Governance befasst. Diese Verantwortlichkeiten wurden um weitere Compliance-Agenden, wie zum Beispiel Anti-Korruption und Datenschutz, ergänzt. Gleichzeitig wurde der Compliance-Bereich auch organisatorisch formell in einer eigenen Abteilung verankert.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der täglichen Compliance-Arbeit?
Die Herausforderung besteht darin, alle Compliance-Maßnahmen mit dem richtigen Augenmaß, wirkungsvoll und überzeugend zu setzen, mit der nötigen Ernsthaftigkeit, aber ohne übertriebene Dramatisierung. Es ist wichtig, ausreichende und gute Regelungen zu haben, die im ganzen Unternehmen wirksam kommuniziert werden, damit Compliance-Themen bewusst und verständlich gemacht werden. Ziel ist es, dass die Leute Compliance nicht als Belastung empfinden, sondern als wertvolle Unterstützung in ihrer täglichen Arbeit.
Welche Bedeutung wird Compliance Ihrer Ansicht nach in Zukunft haben?
Die Bedeutung von Compliance wird weiter zunehmen. Die Anforderungen an Integrität und Glaubwürdigkeit im Geschäftsverkehr steigen, man schaut immer genauer, mit wem man es zu tun hat. Und die regulatorischen Vorschriften werden immer mehr. Compliance wird meiner Ansicht nach in Zukunft aber auch immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit werden. Man wird es automatisch tun, intus haben. Und dann wird es einen Beauftragten oder eine gesonderte Abteilung möglicherweise gar nicht mehr brauchen.
Alle Befragten sind Mitglieder des Österreichischen Compliance Officer Verbunds/ÖCOV, mit dessen Unterstützung dieser Beitrag entstanden ist.
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