Compliance in der Slowakei
03. Juni 2014 / Erschienen in Compliance Praxis 2/2014, S. 42
Strafrecht
Die wichtigsten Pflichten, deren Nichteinhaltung die Entstehung von Strafbarkeit begründet, sind im Strafgesetzbuch enthalten. Das Strafrecht gewährt unter anderem Schutz gegen Korruption. Obwohl der Begriff Korruption nicht gesetzlich definiert ist, versteht man als Korruption die Annahme eines Vorteils, Bestechung oder auch die mittelbare Korruption (Wirkung auf Ausübung von Befugnissen anderer Personen). Es wird dabei zwischen zwei unterschiedlichen Korruptionstatbeständen unterschieden, abhängig davon, ob die Korruptionshandlung eine sogenannte „Angelegenheit im allgemeinen Interesse“ betrifft oder nicht.
Bestechung oder die Annahme eines Vorteils im Zusammenhang mit einer Angelegenheit im allgemeinen Interesse ist jedenfalls strafbar. Jedoch ist nicht jede im öffentlichen Bereich geleistete Aufgabe gleichzeitig auch eine Angelegenheit im allgemeinen Interesse. Man spricht dann davon, wenn es sich um eine Aufgabe handelt, die entweder für die Gesellschaft als Ganzes oder zumindest für eine bestimmte Teilöffentlichkeit relevant ist. So ist etwa der Bau einer Autobahn im allgemeinen öffentlichen Interesse. Die Annahme eines Vorteils durch einen Angestellten der Katasterverwaltung für die vorrangige Erledigung eines Antrags auf Eintragung des Eigentumsrechtes an einer Liegenschaft ist hingegen keine Korruptionsstraftat, da es sich um eine Entscheidung handelt, die lediglich individuelle Interessen betrifft.
Der zweite Tatbestand bezieht sich auf Bestechung und Annahme eines Vorteils, der nicht eine Angelegenheit im allgemeinen Interesse betrifft. In diesen Fällen wird für die Strafbarkeit einer derartigen Handlung vorausgesetzt, dass die Person aufgrund der Vorteilszuwendung so gehandelt hat (bzw sich geweigert hat, zu handeln), dass sie ihre sich aus Beschäftigung, Beruf, Position oder Funktion ergebenden Pflichten verletzt. Das heißt, dass die Handlung der Person durch den Vorteil beeinflusst ist. Wenn aber die Person mit ihrer Handlung keine Pflicht verletzt, ist die Handlung nicht strafbar.
Wesentliche Bedeutung hat diese formalistische Legislative vor allem im privatwirtschaftlichen Bereich, sofern – wie oft üblich – keine Regeln für die Entscheidungsfindung festgelegt werden. Wenn etwa ein Angestellter der Beschaffungsabteilung einem Lieferanten einen Auftrag im Gegenzug für einen Vorteil erteilt, ist dieser Angestellte grundsätzlich nicht strafbar, wenn seine Entscheidung nicht als Verletzung einer explizit vorgeschriebenen Pflicht zu qualifizieren ist. Nur wenn interne Richtlinien bestünden, die die Auftragsvergabe genau regeln, wäre eine Pflichtverletzung und somit auch die Strafbarkeit gegeben.
Aus diesem Grund ist es insbesondere im privatwirtschaftlichen Bereich äußerst wichtig, Compliance-Regelungen einzuführen, da nur eine Handlung entgegen interner Regeln oder ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag eine Strafbarkeit begründen.
Ende des Jahres 2013 wurde in der Slowakei ein Gesetzentwurf in den Legislativprozess aufgenommen, der die strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen für bestimmte Straftaten (inklusive Korruption) vorsieht. Gemäß dem Entwurf besteht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit einer juristischen Person für Straftaten, die im Interesse oder innerhalb der Tätigkeit der juristischen Person begangen werden.
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person entfällt aber, wenn die Straftat von einem Angestellten begangen wurde, gleichzeitig jedoch die statutarischen Organe, Aufsichtsorgane oder andere Personen mit faktischem Einfluss auf die Geschäftsführung die Ausübung der Kontrolle oder Aufsicht nicht unterlassen haben. Diese Ausnahme von der Strafbarkeit ist sehr eng formuliert.
Sollte das Parlament das Gesetz verabschieden, wird es für Unternehmen umso wichtiger werden, interne Compliance-Vorschriften einzuführen, damit sie sich vor gesetzeswidrigem Verhalten ihrer Angestellten schützen können.
Wettbewerbsrecht
Die wettbewerbsrechtlichen Regelungen, die zum einen im slowakischen Gesetz Nr 136/2001 Slg zum Schutz des Wettbewerbs und zum anderen im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfasst sind, verbieten alle Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Wettbewerbsbeschränkung zum Ziel oder zur Folge haben.
Verboten sind Vereinbarungen, die – unmittelbar oder mittelbar – Preise oder andere Geschäftsbedingungen betreffen, Details über die Aufteilung des Marktes enthalten oder Informationen über Kontrolle oder Beschränkung der Produktion, des Vertriebes oder der technischen Entwicklung und Investitionen umfassen.
Im Jänner 2014 hat das slowakische Höchstgericht in einer großen Kartellcausa zum ersten Mal die Entscheidung des Kartellamtes der Slowakischen Republik („Kartellamt“) über die Auferlegung einer Geldstrafe bestätigt. Es handelte sich um eine Rekord-Kartellstrafe in Gesamthöhe von 45 Mio Euro gegen sechs große Baufirmen (darunter Strabag und Skanska).
Das Kartellamt hatte den Unternehmen vorgeworfen, beim Bau eines Autobahnabschnitts zuvor abgesprochene, überhöhte Preise verlangt und den Staat damit geschädigt zu haben. Die verurteilten Firmen wurden auf eine „schwarze Liste“ gesetzt und sind somit künftig von öffentlichen Aufträgen in der Slowakei ausgeschlossen. Bemerkenswert war, dass das Höchstgericht erstmals indirekte Beweise und Indizien (es gab keine schriftliche Vereinbarung) als ausreichende Beweismittel für die Verhängung einer Geldbuße anerkannt hat.
Es ist in der Slowakei auch verboten, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Das Gesetz zählt mehrere Beispiele der missbräuchlichen Ausnutzung auf: Die direkte oder indirekte Einforderung von unangemessenen Preisen oder anderen Geschäftsbedingungen, die Androhung einer Beschränkung der Produktion, des Vertriebes oder der technischen Entwicklung von Waren, der Ausschluss des Wettbewerbes und andere.
Unlauterer Wettbewerb
Neben dem Verbot von Kartellvereinbarungen und dem Verbot des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung sind, gemäß slowakischem Handelsgesetzbuch, auch jene Handlungen unzulässig, die als unlauterer Wettbewerb bezeichnet werden. Im Allgemeinen definiert das Gesetz unlauteren Wettbewerb als jedes Wettbewerbsverhalten, das in Bezug auf Mitbewerber oder Verbraucher nicht den guten Sitten entspricht. Als Sonderformen der unlauteren Handlung führt das Gesetz bespielweise die irreführende Werbung und Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen, das Hervorrufen von Verwechslungsgefahr, die parasitäre Rufausnutzung, die Herabsetzung, die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, die Gefährdung von Gesundheit und Umwelt sowie auch Bestechung an.
Die durch unlauteres Verhalten geschädigten Personen sind dazu berechtigt, die Unterlassung der unlauteren Handlungsweise, eine Entschädigung für negative Folgen, sowie einen Schadenersatz und die Herausgabe der unrechtmäßigen Bereicherung einzufordern. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche können auch von Verbänden geltend gemacht werden, die im Interesse von Wettbewerbern oder Verbrauchern handeln.
Interne Compliance-Regelungen
Unternehmen in der Slowakei führen schon sehr oft interne Compliance-Vorschriften ein. Sie sind innerhalb der Organisation bindend und gewährleisten, dass gesetzliche Anforderungen eingehalten werden, damit dem Unternehmen keine Strafen oder andere Sanktionen drohen und gegen das Unternehmen keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.
Compliance hat in der Slowakei auch die nicht unwesentliche Aufgabe, das Vermögen und die Rechte von Eigentümern (zB ausländische Investoren) zu schützen. Es muss sichergestellt werden, dass die Angestellten vertrauliche Informationen, die ihnen aufgrund ihrer Position zugänglich gemacht wurden, nicht zum eigenen Vorteil nutzen (zB Insiderhandel) oder auf andere Weise missbrauchen.
Die Kontrolle oder Aufsicht über die Tätigkeiten der Angestellten kann dabei nur aufgrund interner Vorschriften, die dies ermöglichen, ausgeübt werden. Besonders heikel ist dabei das Thema „Schutz der Privatsphäre von Angestellten“. Ohne eine komplexe interne Regelung für einen Monitoring-Mechanismus ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, (berufliche) E-Mails der Angestellten zu kontrollieren. Interne Untersuchungsergebnisse, die durch Verletzung der Privatsphäre von Arbeitnehmern erlangt wurden, sind in einem zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren als Beweismittel nicht zulässig. Die Nichteinhaltung der jeweiligen internen Pflichten oder der vorgeschriebenen Verfahrensweisen kann in den unternehmensinternen Regeln auch als eine schwerwiegende Verletzung der Arbeitsdisziplin definiert werden. Der Arbeitgeber ist in einem solchen Fall dazu berechtigt, das Arbeitsverhältnis einseitig zu beenden.
Leider hat bei Compliance-Regelungen in der Slowakei der Schutz vor wirtschaftlichem Schaden durch die eigenen Mitarbeiter immer noch eine größere Bedeutung als der Schutz vor verwaltungs-, straf- und zivilrechtlichen Folgen von Verletzungen der gesetzlichen Pflichten.
Autoren
JUDr. Radovan Pala LL.M.
JUDr. Radovan Pala, LL.M. ist Partner bei Taylor Wessing in Bratislava.
JUDr. Tomáš Korman LL.M.
JUDr. Tomáš Korman, LL.M. ist Associate bei Taylor Wessing in Bratislava.