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Schluss mit lustig: Die ÖBB und die Presse(Card)

Strengere Antikorruptions-Richtlinien haben die Journalistenrabatte bei den ÖBB dahingerafft. Jetzt wird’s dann also Zeit, dass auch die Medien ihre Compliance-Standards nach oben revidieren.
Von Mag. Klaus Putzer
17. April 2012

Anfang April teilte ÖBB-CEO Christian Kern in einem Brief an österreichische Chefredakteure die Abschaffung der ÖBB Vorteilscard Presse mit. Er begründete diesen Schritt damit, dass die Karte eine „Vorteilsgewährung für eine einzelne Berufsgruppe“ darstelle, die mit dem neuen Verhaltenskodex der ÖBB unvereinbar sei. „Die professionelle Zusammenarbeit mit Ihnen ist uns wichtig“, schrieb Kern an die Chefredakteure.

Ein Glaserl in der Lounge

Die Vorteilscard für Journalisten hält tatsächlich einige Goodies bereit, die nun auch einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgeworden sind: halber Preis im Vergleich zur regulären Vorteilscard, Reisen im 1. Klasse-Abteil zum Normalpreis, kostenlose Sitzplatzreservierung, Zutritt zu den ÖBB-Lounges in den Bahnhöfen, wo es gratis Kaffee, Knabberzeug und abends auch mal ein Glas Wein gibt.

Als Inhaber eines Presseausweises – das ist die Voraussetzung – beantragte auch Unterfertigter vor Jahren die blaue Pressecard. Sind die Eingangs-Hürden überwunden, gewöhnt man sich auch relativ rasch an die kleinen Vorrechte des Premiumkunden. Im Nebulösen bleibt zwar, womit man sich diesen Sonderstatus verdient hat, es besteht aber auch kein Grund, so genau nachzufragen: Schließlich bieten die ÖBB den Journalistenrabatt seit den 1970er Jahren fast ununterbrochen an. Ganz freiwillig, ganz von sich aus.

„Einweimperln“

Nun also lässt sich der Presserabatt mit den neuen Antikorruptions-Bestimmungen der ÖBB, die der neue Chief Compliance Officer Martin Schwarzbartl geschrieben hat, plötzlich nicht mehr vereinbaren.

Die Branche zeigt sich uneins, wie das zu bewerten sei. Da wettert ÖJC-Chef Fred Turnheim in einer Aussendung vom 16. April, Journalisten „… haben es nicht nötig, als ‚bestechlich‘ denunziert zu werden.“ Falter-Chefredakteur Armin Turnher gibt sich hingegen einsichtig: „Da hätten wir selber draufkommen können." Denn, so Sebastian Loudon vom Branchenmagazin Horizont online: „Wenn wir uns ganz ehrlich sind, kann das Ziel solcher Rabatte doch nur sein, sich bei einer kleinen, aber sehr öffentlichkeitswirksamen Berufsgruppe – auf gut Wienerisch – einzuweimperln.“

Keine anderen Sorgen?

Das wirft erstens die Frage auf, ob sich der durchschnittliche Journalist für einen geldwerten Vorteil von 50 Euro und einige Annehmlichkeiten „einweimperln“ lässt? Und eine zweite: Hat die Branche momentan keine wichtigeren ethischen Fragen auf der Agenda?

Antwort eins: Ja, natürlich prägen wiederholte angenehme Erfahrungen mit einem Unternehmen ein positives Bild von diesem Unternehmen im Kopf des Kunden. Die Pressecard erhöht den Komfort der Reise, prägt positive Erlebnisse. Dass dies allein genügt haben sollte, kritische Berichterstattung abzuwenden, wird niemand behaupten, der je von Pressecard-Besitzern verfasste Artikel über die ÖBB gelesen hat. Im Gegenteil: Die ÖBB hatten oft schlechte Presse.

Streng genommen aber – und ein Code of Conduct ist streng zu nehmen oder zu vergessen – könnte so eine „Vorteilsgewährung“ natürlich doch gutes Klima für die ÖBB machen. Eine Compliance-Abteilung darf genau das dem Unternehmen nicht zumuten: Auch nur der Anschein, dass das Unternehmen in irgendeiner Weise Dritte korrumpieren – hier: ihre Meinung einkaufen – könnte, könnte die Reputation des Unternehmens gefährden. Daraus hat die ÖBB die Konsequenz gezogen.

Der Schritt ist richtig. Außerdem ist er natürlich von sehr symbolischer Bedeutung (und bringt den ÖBB ein wenig Geld).

Inserate & Integrität

Der Alltag der Medien stellt – und damit zu Frage zwei – tagtäglich substanziellere Herausforderungen an die Integrität von Medienmitarbeitern.

  • Wer Fahrberichte im Mobilitätsressort studiert, fragt sich, ob heutzutage jemals auch ein richtig schlechtes Auto aus der Fabrik rollt. Verwässern Fahrtests in luxuriösem Urlaubsambiente gar den knallharten Blick aufs Produkt?

  • Glaubt man einschlägigen Berichten, werden alle paar Wochen hochwirksame Wundermittel und ultimative Therapien entdeckt, die kurz darauf schon wieder von ganz anderen Methoden obsolet gemacht worden sind. Wie viel kritische Distanz gibt es zur „Wissenschaft“? Wie sehr trägt Halb-Wissen dazu bei, Journalisten zu Gehilfen fremder Interessen zu machen?

  • Oder: Wie unabhängig kann ein Medium über Parteien, Unternehmen, Institutionen berichten, dessen wirtschaftliche Existenz auch von Inseraten ebendieser Parteien, Unternehmen, Institutionen abhängt?

Antwort also: Die Presse hat noch andere Anlässe zur Selbstbefragung als die ÖBB Pressecard.

Mancher aus der Branche wird die Degradierung zum Normalpassagier kurz bedauern, wie ein des Diplomatenpasses beraubter Ex-Politiker. Der Trennungsschmerz wird sich in Grenzen halten.

Autoren

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Mag. Klaus Putzer

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